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Sophie Innmann

Sophie Innmann

Quelle: Wikipedia

Sophie Innmann – eine präzise Entdeckerin der Gegenwartskunst

Kunst, die auftaucht, verschwindet und nachwirkt: Die Welt der Sophie Innmann

Sophie Innmann (*1986 in Münchberg) zählt zu den spannendsten Positionen der zeitgenössischen Kunst aus Deutschland. Ihre künstlerische Entwicklung verläuft forschungsbasiert, ortsspezifisch und prozessorientiert. Ob Installation, Intervention, Klangarbeit oder performative Handlung: Innmann versteht es, gesellschaftliche Routinen sichtbar zu machen und die Wahrnehmung der Betrachterinnen und Betrachter aktiv einzubinden. Als Meisterschülerin von Leni Hoffmann an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe (Abschluss 2014) hat sie eine unverwechselbare Praxis geformt, die zwischen Konzeptkunst, sozialer Skulptur und experimenteller Ästhetik navigiert. Ihre Arbeiten wurden national und international gezeigt, darunter Kunstmuseum Stuttgart, Staatliche Kunsthalle Baden-Baden und Museum of Modern Art, Moskau.

Biografie und künstlerische Entwicklung

Die Musikkarriere mag anderen gehören – Innmanns Bühne ist der Stadtraum, die Institution, das private Umfeld, der digitale Raum. Früh verlegte sie den Schwerpunkt ihrer Musikkarriere-ähnlichen “Bühnenpräsenz” auf die künstlerische Forschung: Nicht das einzelne Objekt, sondern die künstlerische Handlung, ihr Arrangement im Kontext und die Produktionsbedingungen von Wahrnehmung stehen im Zentrum. Seit 2015 lebt und arbeitet sie projektbezogen ohne festen Wohnsitz – ein nomadisches Setting, das ihrem Werk eine besondere Wachheit verleiht. Stationen führten sie unter anderem nach Paris, Barcelona, Minneapolis, Moskau, Yogyakarta, Plowdiw, Elefsina, Berlin und in den Alpenraum. Dieses Unterwegssein verdichtet sich in Arbeiten, die Beziehungen, Netzwerke und Abläufe als ästhetische und gesellschaftliche Phänomene untersuchen.

Ein prägender Baustein in ihrer künstlerischen Entwicklung ist die Ausbildung in Karlsruhe. Dort schärfte Innmann ihr Gespür für Material als Denkfigur: Malerei, Zeichnung, Objekt, Video, Sound, Installation und Performance erscheinen bei ihr nicht als Genres, sondern als Instrumentarium. Jede Werkentscheidung folgt der Notwendigkeit des Konzepts: Wann genügt eine Geste? Wann braucht es kollektive Teilhabe? Wann wird Klang zum Träger von Geschichte? So entsteht ein Werk, dessen Qualität sich aus Präzision, Kontextbewusstsein und Unvorhersehbarkeit speist.

Praxis, Medien und Methodik: zwischen Konzept und Resonanz

Innmanns forschungsbasierte Konzepte kreisen um Prozesse des Erscheinens und Verschwindens. Der Blick richtet sich auf soziale Choreografien, die unsere Umgebung strukturieren – Arbeitszeiten, Wege, Rituale, Geräusche. Sie versteht Komposition als Anordnung von Situationen: Dinge, Zeitfenster, Beteiligte, Zufälle. Ihre Arbeiten aktivieren Betrachterinnen und Betrachter als Mitakteure, wodurch “Publikum” und “Werk” wechselseitig produziert werden. Diese künstlerische Methode knüpft an Traditionen der Konzept- und Performancekunst an, doch Innmann aktualisiert sie mit gegenwärtigen Technologien, Logiken der Plattformökonomie und medialen Ökosystemen.

Das Ergebnis sind Formate, die bewusst offen bleiben: Zeichnung kann zur Spur einer Handlung werden; eine Installation wird zur Infrastruktur für Begegnung; Klang wird zur topografischen Markierung eines Ortes. Die Produktion bleibt transparent, die Archivierung – als Text, Foto, Ton oder Objekt – ist Teil des Werks. So versteht Innmann “Arrangement” nicht nur als ästhetischen, sondern als sozialen Akt.

GoArtist: Kunstlieferdienst und Kritik der Plattformökonomie

Mit GoArtist erfindet Innmann 2019 ein Modell, das zugleich Service, Performance und künstlerische Forschung ist. GoArtist kehrt das klassische Rezeptionsverhältnis um: Kunst kommt zu den Menschen – in Wohnungen, Schulen, Institutionen, auf die Straße. Der “Lieferdienst” liefert kein Produkt, sondern eine Zeitstruktur, in der Austausch, Gespräch und gemeinsame Erfahrung stattfinden. Die künstlerische Komposition liegt in der Organisation von Nähe, in der Verhandlung von Rollen und im bewussten Verzicht auf schnelle, konsumierbare Ergebnisse. GoArtist thematisiert Wert, Arbeit und Sichtbarkeit im Digitalzeitalter und bietet eine faire Alternative zum algorithmisch beschleunigten Konsum.

Das Projekt wurde in Deutschland, der Schweiz und Indonesien praktisch erprobt und durch Stipendien (u. a. NEUSTART KULTUR; Stiftung Kunstfonds) unterstützt. GoArtist erweitert das Repertoire kultureller Bildung: als komplementäres Angebot für Museen, Schulen oder Community-Spaces, das Schwellen senkt und Kunst als situatives, reflektiertes Erleben erfahrbar macht.

Auftaktmomente: Klang, Arbeit und kollektive Zeit

Mit “Chroniken von Arbeit” thematisiert Innmann 2020 die soziale Taktung von Alltag. Über mehrere Wochen werden Glocken nach Vorgaben der Anwohnerschaft geläutet – ein Arrangement, das historische Arbeitsrhythmen mit der Gegenwart konfrontiert. Viermal tägliches Geläut macht hörbar, wie Arbeit, Religion, Fürsorge oder Schichtbetrieb unsere Lebenszeit strukturieren. Die Komposition ist minimal, die Wirkung maximal: Ein Ort wird zur Partitur, Bewohnerinnen und Bewohner werden zu Interpretinnen und Interpreten, und der öffentliche Raum wird Resonanzkörper einer geteilten Gegenwart.

Im Projekt “Rhapsody (Black Forest Edition)” lädt Innmann Menschen ein, gepfiffene Melodien als Klang der “Heimat” zu teilen. Die anonyme Pfeifstimme entzieht Zuschreibungen wie Alter, Herkunft oder Geschlecht eine visuelle Oberfläche – was bleibt, ist Klang als soziale Fiktion. Über Lautsprecher und Nistkästen in den Wald getragen, verschmelzen menschliche und nicht-menschliche Stimmen zu einem Chor. Die Komposition wird zum ökologischen und sozialen Statement: ein Klangbild, das Differenz zulässt und Zugehörigkeit neu entwirft.

Aktuelle Projekte 2024/2025: Stadt, Identität, Rohdichte

2024/2025 untersucht Innmann in Kaiserslautern im Rahmen der Ausstellung “Betze, K‑Town, Pfaff” Identität im urbanen Kontext. Ihr Fokus gilt dem Stadion als akustischem und emotionalem Identifikationsort. Die Arbeit fügt sich in eine Werklinie, die Stadtraum als Medium begreift und kollektive Narrative – vom Fußballmythos bis zur Industriegeschichte – über Klang, Ort und Erinnerung aktiviert.

2025 war Innmann zudem Residenzkünstlerin auf dem Galerieschiff ARTE NOAH des Kunstvereins Würzburg. Aus dem Aufenthalt entstand die Ausstellung “Rohdichte”, in der sie Materialität, Schwerkraft und Bewegung des Schiffs als Denkfigur nutzt. “Rohdichte” verbindet Recherche, ortsspezifische Beobachtung und eine Ästhetik des Minimalen: kleine Verschiebungen, die Wahrnehmung laden, Mathematik des Alltäglichen, Physik als Poetik.

Ebenfalls 2025 wurde Innmann vom Forum Kultur der Europäischen Metropolregion Nürnberg zur “Künstlerin des Monats Oktober” in Hof gewählt – eine Auszeichnung, die ihre kontinuierliche Innovationskraft, kuratorische Präsenz und regionale wie internationale Vernetzung unterstreicht. Im selben Kontext wirkt sie als Mitinitiatorin und Leiterin der ANTHROPOZÄNTA, die künstlerische Perspektiven zu Umwelt, Gesellschaft und Technologie bündelt.

Ausstellungen (Auswahl) und kuratorische Stationen

Innmanns Arbeiten wurden unter anderem im Kunstmuseum Stuttgart, der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden, der Galerie Stadt Sindelfingen, im Museum of Modern Art Moskau, im Frac Alsace und im Kontext europäischer Kulturhauptstädte (Plowdiw 2019, Elefsina 2021) gezeigt. Parallel wirkt sie kuratorisch: Früh entwickelte sie Offspace-Strukturen, beteiligte sich in Kuratorenteams und initiierte ab 2013 die Plattform ANTHROPOZÄNTA – ein Netzwerkprojekt mit internationaler Reichweite. Diese Doppelrolle stärkt ihre Autorität in Diskursen zwischen Produktion, Vermittlung und Institution, und zeigt, wie konsequent sie Kunst als Infrastruktur des Gemeinsamen denkt.

Ihre Ausstellungspraxis bleibt vielgestaltig: Solopräsentationen, partizipative Settings, ortsspezifische Eingriffe und Forschungen mit lokaler Bevölkerung. Der rote Faden ist die Achtsamkeit gegenüber Kontexteffekten: Wie formt ein Ort Wahrnehmung? Welche sozialen Bedingungen werden sichtbar? Wo liegt der Punkt, an dem eine Geste reicht – und wann muss sie insistieren?

Stipendien, Preise und Publikationen

Innmans Musikkarriere im übertragenen Sinne – das präzise Stimmen von Situationen – wurde vielfach gefördert: Arbeitsstipendium Stiftung Kunstfonds (2020), Förderungen im Rahmen NEUSTART KULTUR, Residenzen u. a. an der Cité Internationale des Arts in Paris, Fundaziun Nairs (CH), Künstlerhaus Stuttgart, Künstlerdorf Schöppingen, Hangar Barcelona. 2015 erhielt sie den Kunstpreis des Landkreises Hof für das Ausstellungsprojekt ANTHROPOZÄNTA. Ihre Projekte wurden zudem von regionalen und überregionalen Institutionen getragen, was die Vertrauenswürdigkeit und Relevanz ihrer künstlerischen Forschung dokumentiert.

Zu den Publikationen zählen der Band “Sophie Innmann – Shortcut to the Highway” sowie Kataloge und Textbeiträge, die ihre Praxis in größere kunsttheoretische Zusammenhänge einordnen. Damit ist Innmann in der Fachöffentlichkeit verankert: Ihre Expertise reicht von der Komposition sozialer Situationen bis zur Reflexion über digitale Räume als Landschaften.

Arbeitsweise, Stil und musikaffine Aspekte

Obgleich keine Musikerin im engeren Sinne, operiert Innmann häufig im Feld des Klangs: Glocken, Pfeifen, Umweltgeräusche, Stille. Ihre Klanginstallationen lesen sich wie Partituren des Alltags – mit Tempo (Rhythmus der Stadt), Dynamik (Ereignisdichte), Timbre (Materialklänge) und Form (Ablauf, Wiederholung, Aussetzen). Diese musikaffine Perspektive öffnet ein Vokabular, das das Publikum unmittelbar versteht: Rhythmus, Improvisation, Call-and-Response. Zugleich bleibt das Werk präzise komponiert: Regeln, Intervalle, Einsatzpunkte. So entsteht Kunst, die technisch informiert ist und emotional trägt.

Material steht im Dienst der Idee: Sperrholz, Stein, Kabelbinder, Lautsprecher, Klebeband, Glockenseile, Textilien, Papiere – alltägliche Stoffe, die Innmann zu semantischen Trägern formt. Produktion bedeutet bei ihr nicht nur Herstellung, sondern das Aufsetzen einer Situation mit messbaren Effekten: eine veränderte Raumakustik, eine neu geordnete Aufmerksamkeit, eine andere Gehbewegung. Der Nachhall – das wichtigste musikaffine Bild – ist dabei zentral: Was bleibt nach dem Abbau?

Kultureller Einfluss und Rezeption

Innmans Werk stärkt eine Kunst, die Öffentlichkeit nicht belehrt, sondern aktiviert. In Kaiserslautern untersucht sie die Stadtidentität über Klang; im Schwarzwald entwirft sie Heimat als Chor; mit GoArtist entwickelt sie eine partizipative Infrastruktur gegen den reflexhaften Konsum. Dieser Ansatz wirkt in Kulturinstitutionen, Bildungsräumen und Communities: Er verbindet lokale Geschichten mit Fragen der Arbeit, der Nachhaltigkeit und des digitalen Alltags. Die Resonanz reicht von Kunstvereinen bis zu Museen, von kommunalen Kulturinitiativen bis zu internationalen Residenzen.

Die Auszeichnung als “Künstlerin des Monats” 2025 in Hof hebt diese Wirkung exemplarisch hervor: Sichtbar werden Qualität, Kontinuität und Innovationskraft. Medien- und Museumstexte betonen die Klarheit ihrer Konzepte und die Sensibilität im Umgang mit Orten. Kritische Rezeption vermerkt zudem die Eigenlogik ihrer Projekte: kein Effekt um des Effekts willen, sondern präzise gesetzte Parameter, die Wahrnehmung und Mitwirkung erlauben.

Fazit: Warum Sophie Innmann jetzt erleben?

Weil ihre Kunst aufmerksam macht – auf Strukturen, die wir täglich übersehen. Innmanns Werke entfalten sich nicht als Spektakel, sondern als kluge, fein justierte Kompositionen, in denen gesellschaftliche Erfahrung hör- und sichtbar wird. Wer zeitgenössische Kunst als Denkraum sucht, findet hier eine Praxis, die neugierig macht, freundlich fordert und lange nachklingt. Empfehlung: die nächsten Projekte im Kalender vormerken, den Austausch suchen, die eigene Umgebung als Partitur begreifen – und Innmanns Arbeiten dort erleben, wo sie am stärksten sind: vor Ort, im Moment, im Gespräch.

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